- AUS DER KLAR WERKSTATT
Zuhören ist Führungsaufgabe – ein Praxiseinblick
Was bedeutet Zuhören in Organisationen und wo liegen die Grenzen? Wie gelingt es, Mitarbeitende und Stakeholder wirklich mitzunehmen, jenseits von klassischen Instrumenten wie Marktforschung oder Medienresonanz? Wir haben dazu mit Astrid Salmhofer, CCO der Wiener Stadtwerke, und Johannes Angerer, Kommunikationsleiter der MedUni Wien, gesprochen.
Stimmen aus der Praxis, die klare Antworten geben, warum Zuhören heute zur entscheidenden Führungsqualität geworden ist.
klar: Astrid Salmhofer, bei Deinem von Termindruck getriebenen Alltag: Schaffst du es überhaupt, zuzuhören?
Astrid Salmhofer: Genau diese Frage habe ich mir schon oft gestellt: „Höre ich eigentlich noch zu? Hören wir als Organisation zu?“ Wir haben dazu einige institutionalisierte Formate etabliert, die ich gerne vorstellen möchte:
Zum Beispiel haben wir in einigen Unternehmen der Wiener Stadtwerke den Kund:innenbeirat (wieder) eingeführt, um die Bedürfnisse unserer Kundinnen und Kunden besser zu verstehen. Oft haben wir Annahmen im Kopf, so können wir besser erkennen, ob diese auch zutreffen. Der direkte Dialog liefert ein nuancierteres Bild als standardisierte Befragungen.
Bei den Wiener Friedhöfen gibt es ein sehr sympathisches „Zuhörformat“, das Plauderbankerl, von Sozialarbeiter:innen der Caritas begleitet. Da geht es darum zu verstehen, warum Menschen auf Friedhöfe kommen und was sie sich von uns als Unternehmen wünschen.
Auch intern gibt es bei den Wiener Stadtwerken Zuhörformate, damit wir besser verstehen, was andere machen. Eines davon heißt Kaffee Roulette. Dort werden zwei Mitarbeiter:innen zufällig ausgelost, die dann miteinander auf einen Kaffee gehen und einander eine Stunde lang aus ihrem Arbeitsalltag erzählen. Damit der Einstieg leichter fällt, gibt es einen kleinen Fragenkatalog – an den muss man sich aber nicht halten. Dieses Format mag ich sehr und habe schon viel gelernt.
Schließlich geht unser Management regelmäßig „on Tour“ und verbringt einen ganzen Tag als „Schatten“ einer Kollegin oder eines Kollegen, egal ob Reinigungskraft, Straßenbahnfahrer oder Technikerin. Auch das ist sehr lehrreich und spannend.


klar: Johannes Angerer, wenn du das hörst: Wie sieht das an der MedUni Wien aus, wo die Anforderungen und die Stakeholder-Landschaft noch komplexer sind?
Johannes Angerer: Wir haben tatsächlich sehr heterogene Anspruchsgruppen – von Studierenden über Patient:innen bis hin zu internationalen Forschungspartner:innen. Bei vielen Kolleg:innen geht es im Job auch oft um Leben und Tod. Zuhören ist da entscheidend.
Wir haben auch eine lange Historie: Die MedUni Wien geht auf die Gründung der Universität Wien 1365 zurück und wurde 2004 eigenständig. Damals galt es, eine neue Marke im Bewusstsein dieser Tradition zu schaffen. Dazu haben wir einen mehrjährigen, dreiteiligen Markenprozess unter breiter Einbindung von Tausenden unserer Mitarbeiter:innen aus Forschung, Lehre, Verwaltung und Klinik gestartet und interne Markenbotschafter:innen etabliert.
Die Möglichkeit zum Mitreden und Mitgestalten hat zu einer breiten Akzeptanz der neuen Marke – von der strategischen Ausrichtung bis zum Corporate Design – geführt. Das war ein erfolgreiches Projekt.
klar: Das klingt nach einem großen Erfolg. Aber Johannes, du hast einmal gesagt, dass das Zuhören danach teilweise wieder nachgelassen hat.
Johannes Angerer: Wir haben uns damals möglicherweise selbst zu sehr von der unmittelbaren und zweifellos starken Außenwirkung blenden lassen. Die Wirkung und die Identifikation nach innen konnten da nicht im selben Ausmaß mitziehen. Also haben wir mit dem Leadership & Reputation Management einen neuen Prozess mit klarem internen Fokus gestartet. Wiederum mit viel Zuhören, wieder mit breiter Einbindung unterschiedlicher Gruppen von Kolleg:innen. Und siehe da: Es hat sich ausgezahlt und wir sind jetzt auch intern wieder auf gutem Weg.
klar: Astrid, deckt sich das mit deinen Erfahrungen?
Astrid Salmhofer: Absolut. Zuhören braucht vor allem Zeit und bewusste Räume. Es braucht Nähe und das bewusste sich Zuwenden zu anderen. Und es zahlt sich aus, intern wie extern.
Ich kann abschließend allen empfehlen, sich in den nächsten Tagen einmal Zeit zu nehmen, bewusst zuzuhören und zu beobachten, wie sich die eigene Haltung dadurch verändert.
klar: Johannes, was ist dein Fazit?
Johannes Angerer: Zuhören ist Prozesspflege. Erfolge bleiben nur bestehen, wenn Zuhören und Dranbleiben als Führungsaufgabe verstanden werden. Das braucht aber sehr viel Zeit und Aufmerksamkeit. Man muss dranbleiben, und es funktioniert nur, wenn man die vielbeschworene Augenhöhe wirklich ehrlich und ernst meint.
klar: Danke für das Gespräch.