- AUS DER KLAR WERKSTATT
Zuhören in Zeiten des Wandels – Warum aufmerksame Kommunikation heute zählt
In einer Welt, die immer schneller und lauter wird, gewinnt eine Fähigkeit an Bedeutung: das Zuhören. Während Organisationen ihre Botschaften über immer mehr Kanäle verbreiten, droht das aktive Wahrnehmen von Gegenstimmen zu kurz zu kommen.
Aktuelle Studien zeigen: Rund 80 % der Unternehmen befinden sich mitten in Transformationsprozessen – sei es durch Digitalisierung, neue Geschäftsmodelle oder strategische Neuausrichtung. Doch zwischen 70 und 80 % dieser Vorhaben erreichen ihre Ziele nicht. Ein möglicher Grund: Menschen werden nicht ausreichend mitgenommen. Kommunikation und Führung geraten ins Hintertreffen, der Anschluss an die Mitarbeitenden fehlt.
Sprachliche Polarisierung und die „große Gereiztheit“
Christoph Hofinger, renommierter Sozialforscher, Geschäftsführer von Foresight und langjähriger Kooperationspartner von klar, beobachtet seit den 1990er-Jahren eine wachsende sprachliche Polarisierung. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Kommunikation erheblich verändert, was das Zuhören deutlich erschwert. „Es entstehen eigene Codes in jedem ,Tribe‘, also in jeder Gruppe“, erklärt Hofinger. Dies lasse sich mittlerweile auch messen: „Vor 30 Jahren war es für Computerprogramme schwierig, Reden einem politischen Lager zuzuordnen. Heute kann man das mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit und Geschwindigkeit klassifizieren.“ Moderne Machine Learning-Programme können Reden im US-Kongress aus den 90er Jahren nur schwer einer politischen Partei zuordnen – bei den heutigen Reden tut sich die Software jedoch ganz leicht damit, weil die Sprache zwischen Republikanern und Demokraten so stark divergiert.

Die Folge: Die Anschlussfähigkeit im Dialog sinkt, während die Emotionalität steigt. Bernhard Pörksen spricht in diesem Zusammenhang von der „großen Gereiztheit“. Das betrifft nicht nur die Forschung, sondern das Zuhören generell: „Oft hören Menschen schon gar nicht mehr zu, wenn die Botschaft von einem bestimmten Absender kommt“, ergänzt Hofinger. „Besonders in Umfragen zeigt sich das deutlich: Wenn wir manche Auftraggeber aus dem öffentlichen Bereich bereits zu Beginn des Interviews nennen, ist eine größere Gruppe als früher nicht mehr bereit, zu antworten. Dadurch verschieben sich unsere Stichproben.“
Zuhören braucht das richtige Setting
Wie gelingt es dennoch, echtes Zuhören zu ermöglichen? Entscheidend sind die Rahmenbedingungen, unter denen Kommunikation stattfindet, betont Hofinger: „Settings spielen eine große Rolle, denn Personen müssen sich wohlfühlen – um zuhören, aber auch um nachdenken zu können.“
Gerade bei jüngeren Generationen wird das deutlich: „Viele Vertreter:innen der Gen Z haben eine Telefonaversion. Ein Telefoninterview würde sie unter Stress setzen und – falls sie überhaupt teilnehmen – eventuell falsche Ergebnisse bringen.“ Daher wird nach alternativen Methoden gesucht, etwa Sprachnachrichten oder KI-gesteuerte Befragungen. „In den nächsten fünf Jahren werden Teile der menschlichen Interviews durch KI-Systeme ersetzt werden“, prognostiziert Hofinger. Jede Methode habe dabei ihre Vor- und Nachteile, entscheidend sei, dass das Format zur befragten Person passe.
Für Unternehmen und Organisationen lässt sich daraus Folgendes ableiten: Es geht nicht darum, mehr oder weniger zu fragen, sondern anders. „Entscheidend ist, ein Setting zu schaffen, in dem sich Menschen wohlfühlen und zuhören können und wollen“, so Hofinger. Dazu gehört auch, auf die eigene Sprache und die verwendeten Begriffe zu achten. „Wir alle kennen das: Wenn jemand ,Du musst!‘ zu uns sagt, klappen die Ohren zu und die Haare stellen sich auf.“