• AUS DER KLAR WERKSTATT

Ausgechanged? – über die Müdigkeit im permanenten Wandel

Viele von uns erleben durch die ständige Veränderung eine gewisse „Change-Fatigue“. Das stellt Kommunikationsabteilungen vor die Herausforderung, notwendige Veränderungen vermitteln und gleichzeitig eine positive Unternehmenskultur aufrechterhalten zu müssen. Wir haben dazu mit Lisa Grohs, Kommunikationsleiterin von Wien Energie, und Virginia Wieser, Senior Manager Corporate Communications, Brand & Reputation, Borealis AG, gesprochen.

klar: Wie können wir einen positiven Wandel erzeugen und dennoch unbequeme Wahrheiten kommunizieren?

Lisa Grohs: Die Energiebranche ist seit Jahren in starkem Umbruch. Vor 2020 gab es neun Millionen Fußballtrainer:innen in Österreich, mit Corona gab es ab 2020 neun Millionen Virenspezialist:innen, und seit 2022 gibt es neun Millionen Energieexpert:innen. Der Veränderungsbedarf hat damit entsprechend an Druck von außen dazugewonnen. „Raus aus Gas“ bedeutet für uns als Wien Energie eine komplette Umstellung des Geschäftsmodells. Eine wichtige Frage, die sich viele im Unternehmen stellen, ist, ob es mich dann auch noch gibt, ob es mich noch braucht. Unsere Botschaft angesichts des Fachkräftemangels ist klar: Ja, wir brauchen alle, die an der Energiezukunft für Wien arbeiten wollen.

Virginia Wieser: Laut Literatur scheitern 70% aller Veränderungsprojekte in Unternehmen. Meist, weil sie zu komplex sind, oft wohl auch, weil sie nicht nachvollziehbar sind. Deshalb: Veränderung muss Sinn machen, das Warum muss nachvollziehbar sein. Wird die Strategie nur top-down übergestülpt, dann wird der Wandel nicht funktionieren, die Mitarbeiter:innen werden nicht mitgehen. Prozesse versanden – das schafft Frustration und senkt die Bereitschaft, den nächsten Prozess mitzutragen. Wandel muss gut erklärt werden. Das ist harte Arbeit. Manchmal müssen Prozesse auch angepasst werden, z. B. an das kulturelle Umfeld, anstatt immer nur stur auf Kurs zu bleiben.

klar: Inwiefern beeinflusst die „Veränderungsmüdigkeit“ die Aufnahmebereitschaft und Motivation der Mitarbeiter:innen, welche Erfahrungen haben Sie in Ihrem Unternehmen gemacht?

Lisa Grohs: Am schwierigsten ist es, die Kultur zu bewegen. Deshalb haben wir uns im Unternehmen Kulturziele gesetzt, die alle zwei Jahre neu formuliert werden. Das wird sehr stark von unserer Personal- und Organisationsentwicklung getrieben. Und wir arbeiten als Kommunikation eng mit den Kolleg:innen zusammen, um herauszufinden, was es braucht, um die Transformation umzusetzen. Nach all den turbulenten Zeiten und Energiekrisen ist es unser kulturelles Ziel, das Vertrauen unter den Mitarbeiter:innen wiederherzustellen und das Team-Gefühl als Basis für erfolgreiche, gemeinsame Veränderung zu stärken. Es ist wichtig zu verstehen, dass Veränderung auch ein Abschied von Gewohntem ist, das bedeutet oft auch Trauer und der muss man Raum geben, auch wenn man sie manchmal persönlich nicht nachvollziehen kann. Man unterschätzt oft, wie wichtig es ist, die richtige Sprache zu finden, mit englischen Fachbegriffen zu kommunizieren ist z. B. in einem lokal geprägten Unternehmen wenig hilfreich.

Virginia Wieser: Kommunikation ist sowohl eine Führungsaufgabe als auch eine Kommunikationsaufgabe. Die Führungskräfte müssen sich dessen bewusst sein. Das Wichtigste ist daher, dass der Wandel von oben getragen und von zentralen Figuren vorgelebt wird. Wenn die Führungskräfte den Wandel nicht überzeugend mittragen, wird die Veränderungsmüdigkeit nur zunehmen. Hier ist nicht nur der Vorstand gefragt, Führungskräfte und Schlüsselpersonen auf allen Ebenen müssen dahinterstehen, die Geschichte klar und ehrlich so erzählen, dass sie von allen verstanden wird. Unterschiedliche Mitarbeiter:innen-Gruppen haben unterschiedliche Kommunikationsbedürfnisse.

klar: Welche Rolle spielen Ihrer Meinung nach Führungskräfte in der Change-Kommunikation und wie können wir sie effektiver unterstützen?

Lisa Grohs: Führungskräfte sind Schlüsselakteure in der Change-Kommunikation. Deshalb versuchen wir uns im Managementteam intensiv auszutauschen und ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln, was es für die Transformation braucht. Ein Schulterschluss auf Führungsebene ist wichtig, um glaubwürdig vermitteln zu können, warum welche Veränderungen notwendig sind und wie jede:r Einzelne dazu beitragen kann. Um das Vertrauen in die Gesamtstrategie zu stärken, haben wir vierteljährliche Townhall-Meetings unseres Top-Managements mit allen Mitarbeiter:innen, bei denen diese auch Themen und Fragen einbringen können.

Virginia Wieser: Entscheidend ist auch die Bedeutung der Kommunikation im Unternehmen. Besteht eine vertrauensvolle Arbeitsbeziehung? Wenn wir als Kommunikator:innen geschätzt werden, können wir Strategien zeitgerecht mitgestalten und die Umsetzung effizient begleiten.

klar: Danke für das Gespräch!